Island zum Ersten…
Es begann, wie alle unsere Reisen begonnen haben, mit der Frage, wie wäre es, wenn wir mit unserem Allradler Island erkunden würden? Wir hatten das geeignete Fahrzeug, einen Teknocar 5.5 Tonnen, mit zuschaltbarem Allradantrieb, Untersetzungsgetriebe und zwei mechanische Differenzialsperren.
Ausserdem brachten wir die nötige Allraderfahrung von vielen früheren Reisen mit.
Und so nahmen wir die Grob- und später die Feinplanung in Angriff, legten das Reisedatum, die Reisedauer und die ungefähre Reiseroute fest. Das Abenteuer konnte beginnen.
Wir buchten bei Smyril-Line die Fähre von Hirtshals (Dänemark) über die Färöer nach Seydisfjördur (Island), machten uns mit den restriktiven Einfuhrbestimmungen für Island vertraut und fanden uns am 19.05.18 beim Fährterminal in Hirtshals ein. Auf der „Norröna“ unserer Fähre, hatten wir für die dreitägige Überfahrt eine Zweibett-Innenkabine gebucht. Eine solche garantiert auch bei heftigem Seegang eine eigene Toilette und verhindert, dass man die Nächte irgendwo in den Gängen liegend, zwischen Rucksacktouristen auf dem Teppichboden verbringen muss.
Auf der Überfahrt ist es verboten, die Fahrzeugdecks aufzusuchen und auch deshalb war eine Kabine für unser kleines Reisegepäck angenehm und hilfreich.
Das Verladen der Fahrzeuge lief stets sehr geordnet und problemlos ab. Hat man alle Papiere, geht das Einweisen auf dem Cardeck zügig, aber ruhig vor sich.
Die Norröna bietet in zwei Restaurants diverse Speisen und das Buffet zum Frühstück ist spektakulär. Man findet für jeden kulinarischen Geschmack und Hunger etwas Passendes! Der Zwischenthalt in Tórshavn auf den Färöern, dauert 9 Stunden und lässt einen Spaziergang im Ort zu. Je nach Wetter macht dies mehr oder weniger Spass, lohnt sich aber, weil man sich wieder etwas besser bewegen und eine längere Strecke gehen kann. Für die Übernachtungen in Island, kauften wir und auf dem Schiff die spezielle Camping Card (1100 DKK ca 180.- Euro) für Island. Diese verspricht vereinfachten und verbilligten Zugang zu Übernachtungsplätzen im ganzen Land.
Die Ankunft in Seydisfjördur war nach Fahrplan. Wir merkten sofort, die Zeit läuft in Island etwas langsamer und gemächlicher ab. Die Kontrollen der Papiere und Fahrzeuge waren professionell und klar, das Personal war stets freundlich.
Nach Verlassen des Hafens ist die erste Station das Einkaufzentrum Bónus in Egilsstadir. Um dieses zu erreichen fährt man über den Pass, auf dem durchaus Ende Mai noch Schnee liegen kann.
Beim Bónus gibt es alles, was man an Lebensmittel für die kommenden Tage benötigt. Und man kauft dort all das ein, was man aufgrund der strengen Einfuhrbestimmungen nicht hat mitnehmen können. 2018 war lediglich eine Einfuhr von 3kg Lebensmittel pro Person erlaubt, und das ist fast nichts! Also war der Einkauf dringlich.
Die „Ringstrasse“, wie die Strasse genannt wird, auf welcher man die gesamte Insel umrunden kann, ist etwa 1300 Kilometer lang und durchgehen geteert. Sie ist mit jedem Fahrzeug zu schaffen. Wir entschlossen uns, die Insel im Gegenuhrzeigersinn zu umrunden und natürlich viele Abstecher ins Landesinnere zu wagen. Denn mit unserem Fahrzeug war das Erkunden der nicht oder nur wenig bewohnten Inselregionen natürlich ein weiteres Ziel. So fuhren wir ab Egilsstadir Richtung Westen mit dem ersten grösseren Etappenziel Vik und dann später Reykjavik.
Auf dem Weg nach Vik, wir hatten gute 500 Kilometer in Island bereits hinter uns, machte sich am Fahrzeug ein seriöses Problem bemerkbar. Das Bremssystem versagte immer wieder seinen Dienst! Es regnete unterwegs ziemlich stark.
Deshalb dachten wir zuerst an nasse Bremsbeläge. Wir wissen natürlich, wie man nasse Bremsen wieder zum Greifen veranlassen kann. Doch das mehrmalige feste Pedaltreten löste das Problem nicht. Bei uns war das Versagen anhaltend. Es entstand kein wirklich brauchbarer Bremsdruck. Irgendetwas im Bremssystem musste defekt sein.
Unser Fahrzeug, das Chassis von Teknocar, der Motor und das Hauptgetriebe von IVECO, das Verteilergetriebe und viele weiteren Komponenten von diversen uns unbekannten Herstellern, waren sorgsam in einer kleinen Manufaktur in Norditalien zu einem Fahrzeug zusammengebaut worden. Das hatte offensichtlich seine Tücken. Ich hatte bereits im Jahre 2013 das Problem dass die Bremsbeläge beim Teknocar ersetzt werden mussten. Die Lieferzeit hatte 7 Wochen betragen und da ich zu jener Zeit mit meinem Fahrzeug gerade in Südafrika und Namibia unterwegs war, machte die Sache etwas komplizierter. Wie ich die Beläge von Italien über die Schweiz nach Port Elisabeth geliefert bekam und sie dort unten einbauen lassen konnte, ist eine eigene, spezielle Geschichte.
Hier nun in Island, führte nichts an der Tatsache vorbei, als dass wir es irgendwie bis nach Rykjavik schaffen mussten. Nur dort gab es eine brauchbare IVECO-Garage und Hilfe für unser spezielles Fahrzeug. So fuhren wir die folgenden Tage beinahe ohne Fussbremse, mit viel Gangschalterei, vor allem wenn es bergab ging, zuerst dann in Reykjavik auf den Campingplatz. Dieser liegt glücklicherweise am Rand der Stadt und ist auf Schnellstrassen relativ einfach zu erreichen. Stadtverkehr ohne Bremssystem, war nicht drin. Wir verliessen den Campingplatz nach 10 Tagen erst als der Ersatz für den defekten Hauptbremszylinder eingetroffen und die ausführende IVECO-Garage gefunden war. Der Hauptbremszylinder stammte aus Deutschland, ist original von der Firma ATE und sollte eigentlich innert zwei Wochen, per Schiff nach Island geschickt werden, hiess es. Island arbeitet für den Normalgebrauch nicht mit FedEx. ATE lieferte dann doch speditiv und speziell für uns per FedEx, und alles ging soweit gut.
Wir kennen nun Reykjavik sehr gut.
Wir wissen nun, wo man alle möglichen Souvenirs und auch frischen Fisch kaufen kann, und wo sich der dem Campingplatz nächste Winboudin, das spezielle Geschäft das Wein und Bier verkauft, befindet;
Dieser zehntägige Zwangsaufenthalt in Reykjavik hat unsere Reiseplanung natürlich total über den Haufen geworfen. Wir mussten auf den Besuch der Westfjorde aus zeitlichen Gründen verzichten und konnten den Rest der Insel leider meist nur noch auf der Ringstrasse bleibend, bequem erkunden. Auch weil im Hochland an vielen Stellen noch Schnee lag und gewisse Gegenden überschwemmt und die Zufahrtsstrasse deshalb gesperrt waren, kamen wir nicht wirklich dazu, alle gewünschten Allradstrecken zu erkunden. Es gefiel uns aber trotzdem, und nach Island ist bekanntlich immer auch vor Island!
Wieder zu Hause besuchten wir im Folgejahr die Allradmesse in Bad Kissingen. Dieser Besuch brachte den Durchbruch. Nicht nur weil dort das brandneue Chassis des IVECO Daily Allrad, neu mit Einzelradaufhängung vorne anstelle der Starrachse in drei unterschiedlichen Chassislängen vorgestellt wurde, sondern auch weil sich auf unserer Rückfahrt, trotz kürzlich generalüberholtem Hauptgetriebe, das Verteilergetriebe mit einem Totalsachaden verabschiedete. Der TCS brachte den Teknocar zwei Wochen später per Tieflader zu IVECO in Muttenz, bei Basel.
Wir kontaktierten Marcel Bremgartner, von LUPUS Offroad, in Melchnau. Ich kannte diese Firma von Besuchen am Caravansalon in Bern. Marcel Bremgartner war bereit, sich unser Fahrzeug in Muttenz anzusehen um beurteilen zu können, ob es eine Möglichkeit zur Umsetzung der Wohnkabine auf ein IVECO-Chassis gäbe. Seine Zusage besiegelte das Schicksal des Teknocar! Wir bestellten ein neues IVECO-Chassis Daily Allrad 5.5 T mit Radstand 3480mm, und LUPUS Off Road erhielt in der Folge den Auftrag für den Wohnkabinentransfer. Das Chassis wurde noch kurz vor dem Corona-Lockdown geliefert, und so hatte LUPUS Offroad in der Corona-Zeit eine grössere Arbeit. Auch für uns kein Problem, wegen Corona konnten wir in dieser Zeit sowieso nicht reisen. Wir verfolgten die Umbauphase durch viele Besuche in Melchnau, und fanden bei LUPUS Offroad für alle Wünsche ein offenes Ohr.
Es gab nichts, was nicht umgesetzt werden konnte, und das war viel! Es gab aufgrund der unterschiedlichen Chassismasse zwischen Teknocar und IVECO unzählige Anpassungsarbeiten; insgesamt Arbeit für gute 3 Monate. Doch alles konnte angepasst oder passend gemacht werden. Ein Glück für alle Beteiligten!
Im Juli 2022 konnten wir dann unseren Neuen – Alten, frisch lackiert und mit vielen grösseren und kleineren zusätzlichen Features wie Dieselheizung, Seilwinden für den Reserveradtransfer auf den Dachträger oder an die Heckwand etc. ab MFK in Empfang nehmen.
Island zum Zweiten…
Für Mitte Mai 2022 buchten wir erneut die Fähre nach Island. Natürlich waren uns die Strecken, die Fährüberfahrten und vieles mehr, vom letzten Besuch vor 4 Jahren, vertraut. Aber es war eine ganz andere Nummer. Statt mit Ohrenschützern bei 96dB Motorengeräusch, 95 PS, Euro 2 und so knappen 80kmh (bergab) auf der Deutschen Autobahn dahin zu tuckern, waren wir nun mit 180PS, einem ruhigen Motor und min. 90kmh (Euro 6+) unterwegs. So konnten wir schon die Anfahrt nach Dänemark voll geniessen.
In Island, wählten wir natürlich eine andere Streckenführung. Obwohl etliche Strassen durch das Hochland wegen Schnee und Eis noch immer gesperrt waren, konnten wir viele unbekannte und andere unbefestigte Strassen fahren und so neue Gegenden erkunden.
Und natürlich besuchten wir die Westfjorde! Dieser Teil von Island ist eine Herausforderung. Hier gibt es eigentlich nur Passstrassen. Die Pässe sind zwar nur 600 bis 700 Meter hoch, aber man fährt von Meereshöhe nach oben, manchmal direkt in eine dicke Nebelzone und anschliessend wieder hinunter zum Meer im Fjord. Doch eine absolut lohnende Geschichte! Schmale Strassen aber mit wenig Verkehr und einmaligen Ausblicken in Buchten und wilde Landschaften, belohnen einem für die kurvenreiche Passfahrt.
Und für uns, ein „doppelter“ Genuss!
Denn hätten wir im Jahre 2018 mit dem Teknocar die Westfjorde besucht, wäre dieses Vorhaben kläglich gescheitert. Die vielen Pässe, wären mit den damaligen 95 PS für die 5,5 Tonnen, nicht zu bewältigen gewesen! Jeder Pass hätte mit 25 – 30kmh im ersten oder zweiten Gang erklommen werden müssen und es hätte aufgrund der dadurch langen Reisezeiten kaum Übernachtungsmöglichkeiten am jeweiligen Ende der gefahrenen Tagesetappen gegeben. Wir hätten klar aufgeben müssen!
Doch mit dem Neuen war es ein Genuss. Mit 180 PS, einem dynamischen Getriebe und ausgewogener Getriebeabstufung, war es einfach, diese oftmals steilen und schmalen Strassen zu bezwingen.
Zweimal Island mit demselben uns vertrauten Wohnaufbau aber mit unterschiedlicher Fahrzeugleistung, ist im Nachhinein für uns ganz klar zur vollsten Zufriedenheit aufgegangen.
Wir hatten bevor LUPUS Offroad ins Spiel kam, bei einer anderen „Schweizer-Manufaktur“ in der Ostschweiz nachgefragt, ob man einen Transfer der Wohnkabine für möglich halten würde und ob sie einen solchen Umbau anbieten könnten. Nach einem flüchtigen Blick durch den Firmenverantwortlichen unter das Fahrzeug riet man uns damals, den Teknocar zu verkaufen und eines Ihrer wüstentauglichen deutschstämmigen WOMOS „ab Stange“ zu kaufen.
Wir lehnten das auch aus finanziellen Gründen ab. Denn nun steht unser IVECO mit seinen 2.98m Höhe in einer Tiefgarage, misst ohne Ersatzrad hinten eine Länge von 5.5 Metern und ist wegen der etwas langen Radbolzen, 2.03 statt nur 2 Meter breit. Wir lieben es, klein und handlich, was sich in Fährpreisen, auf engen Campingplätzen, in städtischen Parkbuchten, beim Wenden in engen Gassen, bei Unterführungen, oder auch im Wald oder isländischen Passstrassen, bisher immer bezahlt gemacht hat. Und mancher, der uns in einem Wohnquartier angetroffen hat, in welchem wir von einer 3,5T-Tafel überrascht wurden und trotzdem die fehlenden 200 Meter weitergefahren sind, hat nicht realisiert, dass dieses „kleine“ Fahrzeug etwas schwerer sein könnte. Es ist zwar nie unser Ziel, Verbote zu ignorieren, nur weil das hohe Gewicht nicht so offensichtlich ist. Aber wenn die Alternative „Wenden und 7km zurückfahren“ oder „200 m vorwärts“ heisst, wagen wir auch schon einmal die 200 „verbotenen“ Meter.
In den vergangenen 4 Jahren waren wir mit unserem IVECO in Island, Griechenland (Peloponnes), Grossbritannien, Schottland, den Niederlanden, Marokko, Deutschland, Norditalien, Finnland, Schweden, Frankreich und natürlich in der Schweiz unterwegs. Wir werden, oft auf unser Fahrzeug angesprochen. Und all jene, die meinen man könne damit nur in der Wüste fahren, können wir beruhigen. Das ist nicht so! Unser IVECO Daily 4×4 Allrad fährt überall, auf allen Strassen, Befestigten und Unbefestigten, und natürlich wie erwartet, auch in der Wüste!
